~ Großzügigkeit ~

Mit dem heutigen Beitrag schließe ich die Serie zum Thema „Vertrauen“ nach der Definition „B.R.A.V.I.N.G.“ von Brené Brown ab. Mit einem meiner absoluten Lieblingswörter: „Großzügigkeit“.

In dem Moment, in dem wir mit anderen Menschen interagieren, versuchen wir uns ihre Handlungen und Worte zu erklären. Alles, was wir nicht einordnen können, wird innerhalb kürzester Zeit von unserem Gehirn in eine Geschichte verpackt. Hier ist die Amygdala (=Teil des limbischen Systems)  ein sehr wichtiger Akteur – sie ist unter anderem zuständig für die emotionale Einschätzung einer Situation. Welche Art von Geschichten wir uns erzählen hat viel mit unseren bisherigen Erfahrungen zu tun. Misstrauen schreibt dunkle Geschichten. Vertrauen spricht stets im Zweifel für die bestmögliche Variante der Geschichte.

Lass mich dir eine Geschichte aus meiner Kindergartenzeit erzählen.  Ich befinde mich mit drei anderen Mädchen alleine in der Garderobe. Wiederholt fordern sie mich auf, sie zu zwicken. Ich bin verwirrt. Zuhause habe ich gelernt, dass Zwicken nicht in Ordnung ist und plötzlich bin ich mit dem Satz konfrontiert: „Zwicke mich, oder ich bin nicht mehr deine Freundin!“ Schließlich gebe ich irgendwann auf und zwicke sie. Recht leicht, doch ich mache es. Wie von der Tarantel gestochen schießt besagte junge Dame in die Gruppe und verpetzt mich bei der Pädagogin. Meine Welt ist erschüttert. Verrat! Von da an, bin ich misstrauisch gegenüber dem weiblichen Geschlecht. Zu kompliziert und verwirrend ist mir diese Art der Kommunikation. Innerlich bin ich zutiefst verunsichert und habe Angst davor, diesen Mädchen erneut in eine „Falle“ zu tappen.

Bis heute ist mir dieses Erlebnis so präsent vor Augen als wäre es gestern gewesen. Gleichzeitig habe ich mich bewusst mit dieser so unscheinbar wirkenden Verletzung auseinandergesetzt. Stetig arbeite ich daran, diese Furcht mehr und mehr loszulassen, dass mein Gegenüber es nicht gut und ehrlich mit mir meint. Mittlerweile habe ich eine Handvoll Frauen in meinem Leben, denen ich zutiefst vertraue. Wo ich mich zeigen kann und mich dabei sicher fühle. Diese heilsame Erfahrung der Freundschaft sowie die bewusste Entscheidung, von meinem Gegenüber das Beste zu erwarten, sind ein Geschenk für mein Herz.

Ein Satz von Brené Brown hat mich eiskalt erwischt:

„Wenn du durch die Welt gehst und ständig nach Bestätigung suchst,
dass du nicht dazugehörst, wirst du sie finden!“

(frei übersetzt aus einem Vortrag). Wenn ich also im Verhalten und in den Aussagen meiner Mitmenschen nach Beleidigung, Verrat und Ausgrenzung Ausschau halte, werde ich immer etwas finden, das ich in diese Schublade stecken kann. „Hören, was man hören will.“ Auch dieser Satz trifft auf viele von uns zu.

Wenn ich durch die Brille meiner ersten Erfahrungen mit Mädchen blicke, dann sehe ich im Beitragsbild mit Sicherheit drei junge Frauen, die sich womöglich gerade über mich lustig machen. Über meine Figur lästern oder meinen alten Bikini. Durch die Brille der Großzügigkeit und die Vision der Frau, die ich sein möchte, entscheide ich mich für den Gedanken, dass es schön ist, wie diese Freundinnen miteinander lachen können. Vielleicht würde ich mir sogar einen Ruck geben und sie ansprechen und ihnen genau das rückmelden. Solche Denkweisen entwickeln sich nicht von selbst, das braucht bewusste Entscheidungen (vor allem dann, wenn man durch negative Erfahrungen geprägt ist).

Vielleicht kennst du auch diesen etwas streitlustigen, gereizten Zustand, der eng verbunden mit PMS einzieht und du wegen jeder Kleinigkeit mit deinem Mann streiten könntest? In diesem Fall besonders und doch auch generell habe ich für mich entdeckt, dass ich stets davon ausgehen möchte, dass mein Gegenüber momentan das Bestmögliche gibt.

Wenn ich verwundert, irritiert oder gar gekränkt bin, versuche ich im Zweifelsfall die großzügigste Möglichkeit der Motivation meines Gegenübers zu definieren, die mir einfällt. Und ich spüre hinein, ob es Klarheit bedarf, oder die Situation für mich so in Ordnung ist. Ist sie das nicht, darf ich lernen, auszusprechen, was ich denke und diese Klarheit auch einzufordern. Die größte Herausforderung daran ist das „wie“ und es dann auch tatsächlich zu wagen.

Hier ein paar Anregungen, die mir geholfen haben:

  • Ich möchte kurz etwas ansprechen, was mich verwirrt/verwundert/ traurig gemacht/ irritiert/ gekränkt hat.
  • Ich habe in dieser Situation Folgendes verstanden… / Diese Worte haben in mir… ausgelöst/
    Bei mir ist…angekommen
  • Habe ich das richtig verstanden…oder wie hast du das gemeint?

Wie geht es dir mit den Geschichten in deinem Kopf?

Fragst du nach, wenn dich etwas verletzt?

Sprichst du es an, wenn du Irritation bei deinem Gegenüber wahrnimmst?

Glaubst du daran, dass jeder Mensch sein Bestes gibt, mit dem, was er gerade an Ressourcen zur Verfügung hat?

Lass uns gerne in den Austausch kommen – da darf ich noch so viel dazu lernen! Schön, dass du mit auf dem Weg bist!

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