~ Ich sehe dich GROß ~

Wer andere erniedrigt, erhöht sich selbst. Wenn ich tiefer blicke, zeigt diese Kultur vor allem eins: die tiefe Wunde des Selbstzweifels. Der Frage, ob ich denn gut genug bin. Lustig genug. Schön genug. Es zeigt den Mangel auf, den ich in mir selbst trage. Mangel an Selbstwert. Das Unwissen darüber, ob ich denn wirklich geliebt bin, so wie ich bin. Nicht nur so, wie ich sein sollte, oder glaube sein zu müssen. Schlimmer noch, als mir gesagt wird, wie ich zu sein habe.

Schon immer, aber noch viel mehr seit ich meine Kinder aufwachsen sehe, habe ich damit ein Problem. Wenn ich überlege, was ich ihnen mitgeben möchte, so ist es vor allem eins: Jeder Mensch ist unglaublich kostbar, wertvoll und liebenswert. Nicht, weil er gleich ist wie ich. Nicht, weil er nett zu mir ist oder meine Meinung teilt. Einfach, weil er ist. Geschaffen als Abbild Gottes, der über all unseren menschlichen Verfehlungen steht und dieses Wesen liebt.

Zu dieser Liebe füreinander sind wir auch berufen. Und doch stelle ich fest, dass wir in einer Kultur des Vergleichens leben. „Das Gras ist immer grüner auf der anderen Seite des Zaunes.“ Es fällt uns schwer, die Erfolge anderer zu feiern. Schon die Erfolge derer, die wir lieben, fühlen sich manchmal wie ein Stachel im Inneren an, wenn der Neid zuschlägt. Die Erfolge derer, die wir nicht lieben oder schon gar nicht mögen, tun manchmal richtig weh. Unsere eigenen Erfolge schätzen wir entweder gering oder wir posaunen sie bei jeder Gelegenheit von den Dächern. Die goldene Mitte begegnet mir in dieser Angelegenheit eher selten.

Eine sehr schöne Geschichte von einem Menschen, dessen Gegenwart immer eine gute Atmosphäre mit sich brachte, lässt mich aufhorchen. Ihm wird eine besondere Eigenschaft nachgesagt. Man sagt, er sei den Menschen mit Wohlwollen begegnet. Könnte das die Lösung sein?

Wohlwollen ist eines meiner Lieblingswörter und ich möchte ihm in meinem Alltag Leben einhauchen. Wie der Frühling aus kahlen Bäumen eine bunte Pracht hervorlockt, möchte ich die Begegnungen meines Tages mit Farbe füllen.

Ich schaue dich also an. Nehme mir wirklich Zeit, um dich zu entdecken. Dabei versuche ich, einen Blick hinter die Fassade zu erhaschen. Ich sehe in dir, die Herrlichkeit des Gottes, an den ich glaube. Ich sehe dich an, ohne dich nach deinen Handlungen zu beurteilen. Bestaune das Wunder, das du bist. Langsam lerne ich, deine Größe zu sehen, ohne dabei selbst kleiner zu werden. Etwas zögerlich gebe ich mir einen Ruck und sage dir, wo ich deine Größe sehe. Ich möchte dich ermutigen, dich wahrnehmen und wertschätzen. Dein überraschter Gesichtsausdruck und dein Lächeln ist ein schöner Lohn für meine kleine Überwindung. Auch ich lächle. Es ist, als wären wir beide mindestens einen Zentimeter gewachsen. Es stimmt also, denke ich: „We rise by lifting others“

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