~Selbstverantwortung ~
Immer wieder fasziniert es mich, warum der Mensch sich so gerne in eine Opferrolle fallen lässt. Bitte versteht mich nicht falsch – es gibt durchaus viele schlimme Situationen, die dieses Wort „Opfer“ zurecht aufkommen lassen. Doch besonders jene Menschen, die wir als resilient und stark bezeichnen, bleiben darin nicht stecken.
Häufig begegnet uns im Alltag eine Lebenshaltung, die uns als Mensch die Handlungsfähigkeit raubt. „Der Chef ist so fordernd. Die Kinder so anstrengend. Der Mann bringt den Müll schon wieder nicht raus.“ Sich als Opfer seiner Umstände zu betrachten ist naheliegend. Denn es ist der einfachere Weg. Die Verantwortung für meine Situation liegt somit nicht bei mir, sondern im Außen. Heute Morgen fand ich mich selbst in dieser Position.
Müde, ausgelaugt und angeschlagen. Die Nächte sind aktuell durchwachsen (Baby zahnt) und ich sehnte mich nach einer ungestörten Stunde im Bett. Mein Mann sowie die großen Kids schliefen noch, also stand ich auf. Die erste Viertelstunde auch noch relativ wohlwollend und gönnerhaft – die paar Minuten schaffe ich schon noch. Aus ein paar Minuten wurden eineinhalb Stunden. Als ich den Rest der Familie ein genervtes „Guten Morgen!“ zuraunte, war ich zugegebenermaßen von mir selbst irritiert. Wenige Minuten später waren Mann und Kinder unterwegs zum Bäcker. Baby und ich bereiteten das heiß ersehnte Frühstück vor, während sich bei ersterem auch der Hunger meldete. Stillend saß ich also auf dem Küchenboden und reflektierte den Morgen. „Jetzt ist es mir passiert!“, dachte ich etwas erstaunt. Heute Morgen sah ich mich als Opfer, als „die Arme“.
Dass das so nicht stimmt, ist mir besonders jetzt, wo ich gesättigt, gemütlich und allein in meiner Praxis sitze und ein wenig schreibe, klar. Die Opferrolle spricht uns Handlungsfähigkeit ab. Es ist bequem, „die Arme“ zu sein und sich seiner Laune hinzugeben. Wenn ich hingegen erkenne, dass ich IMMER einen Spielraum habe, wie ich mit einer Situation umgehe, dann bin ich auch herausgefordert, pro-aktiv zu handeln. Selbstverantwortung zu übernehmen und im Falle des Falles sogar so weit zu gehen, den Partner zu wecken und um besagte Stunde Ruhe zu bitten. Es ist nämlich nicht seine Schuld, meine Müdigkeit nicht gerochen und wie von Zauberhand erwacht zu sein. Es ist meine Verantwortung, meine Bedürfnisse zu kommunizieren und auf mich zu achten. Sodass ich eine Ehefrau und Mama sein kann, die ihre Familie morgens nicht anraunzt.
Gar nicht so einfach! Denn dafür braucht es neben der Entscheidung zur Selbstverantwortung auch eine Sprache, die mir ermöglicht, meine Bedürfnisse gewaltfrei zu kommunizieren. Es braucht ein Gefühl der Sicherheit, dass ich auch dann noch genug bin, wenn ich Hilfe brauche, um meine Bedürfnisse zu erfüllen. Wenn ich noch weiter denke, dann glaube ich, dass es für viele von uns eine Arbeit an falschen Glaubenssätzen braucht, die uns einreden möchten, dass wir das alles alleine schaffen müssen und nicht wichtig genug sind, jemand anderen „belasten“ zu können.
- Was denkst du darüber?
- Wie gehst du mit Opferrolle und Selbstverantwortung um?
- Was kannst du heute für dich tun, damit du gut für andere da sein kannst?
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